Von der ersten Idee zu diesem Artikel bis zu dessen Veröffentlichung war es ein weiter Weg. Vor über einem Jahr, ich wunderte mich bei der Purverkostung bereits über den süßen Geschmack vieler Cachaças, fand ich das Wörtchen „Adoçado“ auf einer Flasche. Übersetzt bedeutet dies „nachgezuckert“ und brachte mich damit auf die Fährte von Produktschönungen durch Zuckerzusatz. Diese werden hauptsächlich bei industriell hergestellten Bränden durchgeführt, dazu jedoch gleich mehr.
Doch wieviel Zucker ist wirklich in einem handelsüblichen Cachaça enthalten? Da ich kein Labor zur Verfügung habe, musste ich mir einen etwas simpleren Versuchsaufbau ausdenken. Kurzenhand ließ ich 30 ml Berro d’Agua in einem Reagenzglas verdunsten. Den Restinhalt konnte ich von einer Freundin mit einer Feinwaage bestimmen lassen. Das Gewicht des weißen Restes im Reagenzglas konnte auf etwa 0,52 Gramm bestimmt werden. Das hört sich erst einmal nicht besonders viel an, entspricht aber knapp 1,7% des Gesamtgewichts der Spirituose. Somit sind in einer 0,7 Liter Flasche etwa 12 Gramm Zucker enthalten, was 5 Stück Würfelzucker entspricht.
Wie sieht die Gesetzeslage in Brasilien aus?
Cachaça kann bis zu 6 g/Liter Zucker in Form von Sacharose zugegeben werden. Bei Unterschreitung dieser Grenze ist keine Deklaration auf der Flasche notwendig. Produkte mit Zuckerzugaben zwischen 6 und unter 30 g/Liter müssen als „Cachaça adoçada“ bezeichnet werden. Der oben analysierte Berro d`Agua liegt mit etwa 17 g/Liter also in der Mitte der zulässigen Konzentration für „Cachaça adoçada“.
Was gibt die EU zur Nachsüßung von Spirituosen vor?
Die Süßung von Spirituosen zur Geschmacksabrundung ist in der EU grundsätlich erlaubt. Für bestimmt Produkte wie Rum und Whisky / Whiskey ist sie jedoch komplett verboten. London Gin darf bis maximal 0,1 g/Liter nachgesüßt werden, was geschmacklich nicht auffallen dürfte. Cachaça wird meiner Kenntniss nach als „Rum“ importiert und dürfte somit nicht nachgesüßt werden. Wieso dies dennoch zulässig zu sein scheint, ist mir leider nicht bekannt.
Genauere Informationen zu Bestimmungen der EU zu Spirituosen lassen sich dem folgenden PDF entnehmen:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:039:0016:0054:DE:PDF
Welchen Vorteil bietet der Zusatz von Zucker?
Zunächst einmal macht der Zusatz von Zucker die jeweilige Spirituose weicher und gefälliger im Geschmack. Dies trifft insbesondere auf ungelagerten Cachaça zu. Somit lassen sich, speziell bei industriell hergestellten Zuckerrohrbränden, kleine Fehler in der Verarbeitung und Destillation kaschieren. Sowohl bei den ungelagerten als auch den gelagerten Cachaças belegten jeweils zwei „Cachaça adoçada“ die ersten beiden Plätze im von mir durchgeführten online Cachaça-Tasting. Alle nachfolgenden Plätze tragen nicht den Zusatz „adoçada“ und sind somit gar nicht oder zumindest mit weniger als 6 g/Liter Zucker nachgesüßt. Dies wirkt sich beim Mixen von Cocktails evtl. leicht auf die Rezeptur aus. Eine Caipirinha mit Cachaça adoçada benötigt weniger Zucker als der identische Drink mit ungesüßtem Zuckerrohrbrand.
Welche Rolle spielt Karamell als Zusatz in Cachaça?
Die Zugabe von Karamell oder genauer gesagt Zuckercouleur in gelagerten Cachaça ist zur Farbkorrektur zulässig. Dabei muss beachtet werden, dass diese Form der Produktvereinheitlichung bei nahezu allen im Holzfass gelagerten Spirituosen praktiziert wird. Die Süßkraft dieser Stoffe kann aufgrund der geringen Zugabe in das Endprodukt und dem Fehlen von Kohlenhydraten als nicht gegeben bezeichnet werden.
Ist ein Cachaça schlechter, wenn er (leicht) süßlich schmeckt?
Speziell „Cachaça adoçada“ schmecken teilweise so penetrant süß, dass die restlichen Aromen der Spirituose überlagert werden. Es ist jedoch nicht so, dass immer ein Zuckerzusatz vorliegt, sobald ein Brand leicht süßlich schmeckt. Vielmehr kann dieser Eindruck auch von Fuselstoffen bzw. anderen Alkoholen wie Glycerin hervorgerufen werden.
Für die Mithilfe bei der Recherche zu diesem Artikel möchte ich mich bei Herbert Rugel von Serra das Almas und Dietrich Flath von Cachaca-Online bedanken! Es würde mich freuen, wenn andere Blogs dieses Thema aufgreifen und für weitere Spirituosen behandeln würden.